Die Idee eines Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina (1901-1921)
Der Aufruf zur Gründung einer jüdischen Universität erging auf dem Fünften Zionistischen Kongress in Basel im Jahre 1901, Wortführer dieser Bildungsidee war Theodor Herzl.
Ein Gutachten, das unter der Leitung dreier bedeutender Zionisten, Martin Buber, Berthold Feiwel und Chaim Weizmann, erstellt worden war, bekräftigte Herzls Aufruf zur Gründung einer Universität. Obwohl keiner der Autoren einen technischen Hintergrund hatte, empfahlen sie die Einrichtung einer technischen statt einer geisteswissenschaftlichen Hochschule. Sie argumentierten, dass antisemitische Gesetze und Willkür Juden über viele Jahre die Zulassung zu einer technischen Ausbildung an europäischen Universitäten verwehrt hatten und entwarfen einen Plan für ein Technikum (in hebräischer Sprache „Technion“), das junge Männer und junge Frauen in technischen und landwirtschaftlichen Berufen ausbilden sollte.

Palästina besaß zur Gründungszeit des Technion fast keine Infrastruktur. Dieses Dilemma sollte mit privater Initiative, dem Ausbau eines auf technische Berufe ausgerichteten Schulwesens in Palästina und ihrer Krönung, dem Aufbau der Technischen Hochschule in Haifa, behoben werden. Um das Jahr 1880 lebten in Palästina ca. 26.000 Juden. Sie machten seit Jahrhunderten ungefähr ein Zehntel der Gesamtbevölkerungszahl aus.
Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine rege Bau- und Aufbautätigkeit, einhergehend mit einem modernen Schulwesen. Ab 1882 installierte die „Alliance Israélite“ aus Frankreich in den Städten Jaffa, Haifa, Safed und Tiberias Schulen, an denen Hebräisch, Arabisch, Türkisch und Französisch gelehrt wurde. Ihnen folgten vergleichbare Bestrebungen aus anderen europäischen Ländern.
Man versprach sich vom geplanten Hochschulbau eine fundierte Ausbildung der einheimischen Bevölkerung in mittleren und höheren Berufen, die auch im Interesse der Geldgeber eines solchen Vorhabens lag. Das Bestreben Deutschlands, bzw. der deutschen Regierung wiederum, war die Verbreitung des Deutschtums im Ausland und der Ausbau von Handelsbeziehungen. Das Bestreben der deutsch-jüdischen Spender bestand mehr darin, den Glaubensgenossen im Orient Hilfe und Schutz zu gewähren.
Der für das Technion zuständige „Hilfsverein der Deutscher Juden“ war, anders als der „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ (CV) und die „Zionistische Vereinigung für Deutschland“ (ZVfD), ein jüdisch-philanthropischer Verein zur Hilfe für Juden im Ausland. Die deutsche Regierung unternahm auf Bitten des Vereins einen Versuch der Unterstützung des Hochschul-Projekts beim damaligen Sultan des Osmanischen Reichs. Da dieser nicht erhört wurde, zog sich der Kaiser aus Sorge vor möglicherweise zurückgehenden Handelsbeziehungen vor einem zweiten Unterstützungsversuch zurück.

Um das Projekt auf unabhängige Füße zu stellen, wurde in den Räumen des Hilfsvereins in Berlin eine eigene Gesellschaft gegründet: das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina“. Dr. Paul Nathan, Geschäftsführer dieser Gesellschaft und treibender Motor des Hochschulprojekts, bereiste für vier Monate das Osmanische Reich um einen geeigneten Bauplatz für das technische Institut in Palästina zu finden. 1908 errechnete er die Kosten für die Planung und Erstellung der Hochschule auf überschläglich 690.000 Frs. Dies entsprach einer Summe von ca. 550.000 Mark.
Dr. Paul Nathan fasste seine Erkenntnisse folgendermaßen zusammen:
- Bisher existieren drei Institute für höhere Studien im Orient, zwei protestantische amerikanische Colleges in Konstantinopel und Beirut und eine katholische Universität in Beirut.
- Die dortigen Lehrfächer bestehen aus Geistes- und Handelswissenschaften, sowie Jura und Medizin. Es kann im Land keine moderne Technik studiert werden. Von dieser hängt aber erkennbarer Weise die Entwicklung des Landes ab. Das gilt sowohl für die Entwicklung des Osmanischen Reiches wie auch für die Palästinas.
- Die Ausbildung technischer Fachkräfte ist insofern wichtig, da die Juden mit der türkischen Sprache vertraut sind und gegenüber anderen – evtl. technisch besser vorgebildeten – Fachkräften aus Europa von den türkischen Behörden vorgezogen würden.
- Durch die Beschäftigung jüdischer Techniker fände auch eine steigende Zahl jüdischer Arbeiter eine Beschäftigung.

Das pädagogische Konzept als Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung bis zum technischen Studium beinhaltete:
- Kindergarten: als Fundament nach der Pestalozzi-Fröbel-Methode.
- Grundschule: Erlernen der hebräischen Sprache als gemeinsame Sprache aller jüdischen Kinder entsprechend der von Elieser Ben-Yehuda um 1900 entwickelten modernen hebräischen Sprache.
- Oberschule: Folgende Lehrangebote wurden für eine umfassende Ausbildung angestrebt
– Arabisch, Türkisch, Deutsch sowie Englisch und Französisch als Fremdsprachen und Sprachen der Förderländer);
– einen sorgfältigen Unterricht in Rechnen und Mathematik, Naturwissenschaften und Zeichnen,
– von frühester Jugend an einen praktischen Werkstattunterricht. - In der höheren technischen Lehranstalt sollten besonders begabte junge Menschen ein 3-4-jähriges Studium erhalten, die anderen für eine Handwerkslaufbahn ausgebildet werden.
Bereits im Vorfeld wurde ein Ergänzungsunterricht in Mathematik und bestimmten Naturwissenschaften als Vorbereitung für die Aufnahme zum Studium angeboten. Zudem wurden die Sprachen vertieft;
– Hebräisch als religiös-nationales Bindemittel,
– Arabisch für die allgemeine Verständigung,
– Türkisch für den Staatsdienst,
– Englisch für ein berufliches Fortkommen in Ägypten,
– Deutsch für eine künftige Anstellung als Ingenieur bei den mit deutschem Kapital erstellten Eisenbahnlinien. Die deutsche Sprache sollte auch als Verbindungsglied zur europäischen Kultur erhalten bleiben. Sie war zum damaligen Zeitpunkt Weltwissenschaftssprache.
- Als Studenten waren ursprünglich die im Osmanischen Reich lebenden jüdischen Glaubensgenossen vorgesehen, sowie mögliche spätere Einwanderungsgruppen. Die Institution „Technion“ war von Beginn an immer für Schüler anderer Konfessionen, Nationalitäten und jeglicher Einkommensverhältnisse offen. Die Zugangsberechtigung wurde und wird ausschließlich über Eignungstests erworben.
Um das Vorhaben zu finanzieren, musste der Hilfsverein private Spenden einwerben, staatliche Förderungen standen zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Verfügung.
Dr. Paul Nathan traf sich in Berlin mit David Wissotzky, dem Sohn des 1904 verstorbenen Teegroßhändlers Kalonymus Wolf (Zeev) Wissotzky. Dieser hatte in seinem Testament verfügt, aus seinem Erbe in seinem Namen alle fünf Jahre eine öffentliche Bildungseinrichtung zu gründen bzw. zu fördern. Bereits 1909 standen die ersten 100.000 Rubel zur Ausschüttung bereit. Die Summe entsprach einem Wert von ca. 200.000 Mark. Dr. Paul Nathan gelang es David Wissotzky für die Idee des Technikums und dessen langfristige Förderung zu gewinnen. Die Familienstiftung stellte eine Reihe von Anforderungen bezüglich der Verwendung des Geldes. Auch wurde das Verhältnis der neuen Hochschule zur Religion und zum Judentum gemeinsam mit der Spenderfamilie definiert.
Eine weitere Schenkung erfolgte durch den in Frankfurt geborenen und 1865 erstmals und 1875 endgültig in die USA ausgewanderten Bankier Jakob Heinrich Schiff. Schiff verpflichtete sich auf der Rückkehr von einer Palästinareise 100.000 USD (ca. 400.000 Mark) für die Errichtung einer Hochschule beizutragen. Auch er verknüpfte seine Spende mit Auflagen, die jegliche religiöse und zionistische Ideologie in Verbindung mit dem Technikum ausschlossen. Die administrative Unabhängigkeit des Technion musste nach seinen Wünschen gewährleistet sein. Um dies zu gewährleisten wurde ein Kuratorium gebildet, das aus jüdischen Persönlichkeiten bestand. Es konnte zur Wahrung der Interessen der Großspender durch weitere Vertreter aus Europa und den USA ergänzt werden.
Um eine Universität zu errichten, die das Wachstum der jüdischen Bevölkerung sichern würde, war es notwendig, ein geeignetes Grundstück zu erwerben, das aktuellen und künftigen Anforderungen gerecht würde. Nach intensiver Suche entschied sich Dr. Nathan für den Standort Haifa. Die Stadt erfüllte bereits die besten Voraussetzungen, zur bedeutendsten Hafenstadt an der östlichen Mittelmeer-Küste zu werden, da ihr auch die türkischen Behörden den Vorzug gegenüber Beirut gaben. Haifa würde sich als zukünftiger Knotenpunkt des Eisenbahnbaus entwickeln. Die geplante Hedschasbahn würde über Aleppo mit der Bagdad-Bahn verbunden werden. Die Errichtung des Technikums sollte die Entwicklung der Stadt Haifa, die sich erst am äußersten Anfang einer günstigen Entwicklung befand, zusätzlich positiv beeinflussen. Jerusalem schied als Standort für eine technische Lehranstalt aus, da erwartet wurde, dass eine technische Hochschule ein industrielles Zentrum, sowie Fabriken, Bahn- und Kaianlagen nach sich ziehen würde. Die Initiatoren hielten es auch für erforderlich, dass die künftigen Studenten studienbegleitende praktische Erfahrungen im nahen Umkreis der Hochschule machen sollten. Man hoffte durch die Wahl des Standorts sowohl politische Turbulenzen wie auch religiöse Einflüsse von der Hochschule fernzuhalten.
Der vom Kuratorium an die ottomanische Regierung gestellte Antrag auf eine Schulerlaubnis betonte, dass Studenten ohne Rücksicht auf Rasse oder Religion aufgenommen würden. Nach der Zustimmung der Regierung in Konstantinopel erfolgte am 11. April 1912 die Grundsteinlegung auf der halben Höhe des Karmel-Gebirges.

Durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs und den Rückgang der finanziellen Unterstützungen geriet die „Gesellschaft Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina“ in Geldnot. Die Komplettierung und Inbetriebnahme des fast fertiggestellten Gebäudes war ungewiss; Deutsche Gerichte erklärten die Technikum-Vereinigung schließlich für bankrott, am 15.März 1915 wurde das Gebäude versteigert. Der Hilfsverein erwarb dieses zurück und mit ihr die alleinigen Eigentumsrechte am Technikum. Gleichzeitig entledigte sie sich auf diese Weise der angelaufenen Schulden des Projekts. Dies geschah unter Protesten russisch- und amerikanisch-jüdischer Förderer, sowie des Jüdischen Nationalfonds, die ihre großen Investitionen in das Technikum nicht mehr mit eigenen Mitspracherechten ausgestattet sahen.
Im Jahre 1916 besetzten deutsche Truppen das Gebäude und benutzten es für Sanitätszwecke und als Schlachthaus. 1917 übernahm die türkische Armee das Gebäude und verwendete es als Lazarett. Nach dem Ende des Widerstands der türkischen Armee benutzten die Briten das Gebäude als Militärbasis und Hospital. 1920 erwarben Unterstützer des Zionistischen Hilfsfondses die Eigentumsrechte vom Hilfsverein und begannen das vernachlässigte Gebäude in die erste Universität des künftigen Staates Israel umzuwandeln. Unter ihnen befand sich erneut Jacob Schiff, der wiederum 100.000 USD dazugab.
