Geschichte der Deutschen Technion-Gesellschaft e.V.

im historischen Kontext

Die Idee eines Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina (1901-1921)

Der Aufruf zur Gründung einer jüdischen Universität erging auf dem Fünften Zionistischen Kongress in Basel im Jahre 1901, Wortführer dieser Bildungsidee war Theodor Herzl.

Ein Gutachten, das unter der Leitung dreier bedeutender Zionisten, Martin Buber, Berthold Feiwel und Chaim Weizmann, erstellt worden war, bekräftigte Herzls Aufruf zur Gründung einer Universität. Obwohl keiner der Autoren einen technischen Hintergrund hatte, empfahlen sie die Einrichtung einer technischen statt einer geisteswissenschaftlichen Hochschule. Sie argumentierten, dass antisemitische Gesetze Juden über viele Jahre die Zulassung zu einer technischen Ausbildung an europäischen Universitäten verwehrt hatten und entwarfen einen Plan für ein Technikum (in hebräischer Sprache „Technion“), das junge Männer und junge Frauen in technischen und landwirtschaftlichen Berufen ausbilden sollte.

Theodor Herzel beim Zionistischen Kongress in Basel, Copyright Govern. Press Office D131-027

Palästina besaß zur Gründungszeit des Technion fast keine Infrastruktur. Dieses Dilemma sollte mit privater Initiative, dem Ausbau eines auf technische Berufe ausgerichteten Schulwesens in Palästina und ihrer Krönung, dem Aufbau der Technischen Hochschule in Haifa, behoben werden. Um das Jahr 1880 lebten in Palästina ca. 26.000 Juden. Sie machten seit Jahrhunderten ungefähr ein Zehntel der Gesamtbevölkerungszahl aus.

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine rege Bau- und Aufbautätigkeit, einhergehend mit einem modernen Schulwesen. Ab 1882 installierte die „Alliance Israélite“ aus Frankreich in den Städten Jaffa, Haifa, Safed und Tiberias Schulen, an denen Hebräisch, Arabisch, Türkisch und Französisch gelehrt wurde. Ihnen folgten vergleichbare Bestrebungen aus anderen europäischen Ländern.

Man versprach sich vom geplanten Hochschulbau eine fundierte Ausbildung der einheimischen Bevölkerung in mittleren und höheren Berufen, die auch im Interesse der Spender eines solchen Vorhabens lag. Das Bestreben Deutschlands, bzw. der deutschen Regierung wiederum, war die Verbreitung des Deutschtums im Ausland und der Ausbau von Handelsbeziehungen. Das Bestreben der deutsch-jüdischen Spender bestand mehr darin, den Glaubensgenossen im Orient Hilfe und Schutz zu gewähren.

Der für das Technion zuständige „Hilfsverein der Deutscher Juden“ war anders als der „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ (CV) und die „Zionistische Vereinigung für Deutschland“ (ZVfD) ein jüdisch-philanthropischer Verein zur Hilfe für Juden im Ausland. Die deutsche Regierung unternahm auf Bitten des Vereins einen Versuch der Unterstützung des Hochschul-Projekts beim damaligen Sultan des Osmanischen Reichs. Da dieser nicht erhört wurde, zog sich der Kaiser aus Sorge vor möglicherweise zurückgehenden Handelsbeziehungen von einem zweiten Unterstützungsversuche zurück.

Technion-Grundstück um 1912

Um das Projekt auf unabhängige Füße zu stellen, wurde in den Räumen des Hilfsvereins in Berlin eine eigene Gesellschaft gegründet: das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina“. Dr. Paul Nathan, Geschäftsführer dieser Gesellschaft und treibender Motor des Hochschulprojekts, bereiste für vier Monate das Osmanische Reich um einen geeigneten Bauplatz für das technische Institut in Palästina zu finden. 1908 errechnete er die Kosten für die Planung und Erstellung der Hochschule auf überschläglich 690.000 Frs. Dies entsprach einer Summe von ca. 550.000 Mark.

Dr. Paul Nathan fasste seine Erkenntnisse folgendermaßen zusammen:

  • Bisher existieren drei Institute für höhere Studien im Orient, zwei protestantische amerikanische Colleges in Konstantinopel und Beirut und eine katholische Universität in Beirut.
  • Die dortigen Lehrfächer bestehen aus Geistes- und Handelswissenschaften, sowie Jura und Medizin. Es kann im Land keine moderne Technik studiert werden. Von dieser hängt aber erkennbarer Weise die Entwicklung des Landes ab. Das gilt sowohl für die Entwicklung des Osmanischen Reiches wie auch für die Palästinas.
  • Die Ausbildung technischer Fachkräfte ist insofern wichtig, da die Juden mit der türkischen Sprache vertraut sind und gegenüber anderen – evtl. technisch besser vorgebildeten – Fachkräften aus Europa von den türkischen Behörden vorgezogen würden.
  • Durch die Beschäftigung jüdischer Techniker fände auch eine steigende Zahl jüdischer Arbeiter eine Beschäftigung.

Baustelle des Technion ca. 1912

Das pädagogische Konzept als Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung bis zum technischen Studium beinhaltete:

  • Kindergarten: als Fundament nach der Pestalozzi-Fröbel-Methode.
  • Grundschule: Erlernen der hebräischen Sprache als gemeinsame Sprache aller jüdischen Kinder entsprechend der von Elieser Ben-Yehuda um 1900 entwickelten modernen hebräischen Sprache.
  • Oberschule: Folgende Lehrangebote wurden für eine umfassende Ausbildung angestrebt
    – Arabisch, Türkisch, Deutsch und Englisch und Französisch als Fremdsprachen und Sprachen der Förderländer);
    – einen sorgfältigen Unterricht in Rechnen und Mathematik, Naturwissenschaften und Zeichnen,
    – von frühester Jugend an einen praktischen Werkstattunterricht.
  • In der höheren technischen Lehranstalt sollten besonders begabte junge Menschen ein 3-4 jähriges Studium erhalten, die anderen für eine Handwerkslaufbahn ausgebildet werden.
    Bereits im Vorfeld wurde ein Ergänzungsunterricht in Mathematik und bestimmten Naturwissenschaften als Vorbereitung für die Aufnahme zum Studium angeboten. Zudem wurden die Sprachen vertieft;

– Hebräisch als religiös-nationales Bindemittel,

– Arabisch für die allgemeine Verständigung,

– Türkisch für den Staatsdienst,

– Englisch für ein berufliches Fortkommen in Ägypten,

– Deutsch für eine künftige Anstellung als Ingenieur bei den mit deutschem Kapital erstellten Eisenbahnlinien. Die deutsche Sprache sollte auch als Verbindungsglied zur europäischen Kultur erhalten bleiben. Sie war zum damaligen Zeitpunkt Weltwissenschaftssprache.

  • Als Studenten war ursprünglich die im Osmanischen Reich lebenden jüdischen Glaubensgenossen vorgesehen, sowie mögliche spätere Einwanderungsgruppen. Die Institution „Technion“ war von Beginn an immer für Schüler anderer Konfessionen, Nationalitäten und jeglicher Einkommensverhältnisse offen. Die Zugangsberechtigung wurde und wird ausschließlich über Eignungstests erworben.

Um das Vorhaben zu finanzieren, musste der Hilfsverein private Spenden einwerben, staatliche Förderungen standen zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Verfügung.

Dr. Paul Nathan traf sich in Berlin mit David Wissotzky, dem Sohn des 1904 verstorbenen Teegroßhändlers Kalonymus Wolf (Zeev) Wissotzky. Dieser hatte in seinem Testament verfügt, aus seinem Erbe in seinem Namen alle fünf Jahre eine öffentliche Bildungs-Einrichtung zu gründen bzw. zu fördern. Bereits 1909 standen die ersten 100.000 Rubel zur Ausschüttung bereit. Die Summe entsprach einem Wert von ca. 200.000 Mark. Dr. Paul Nathan gelang es David Wissotzky für die Idee des Technikums und dessen langfristige Förderung zu gewinnen. Die Familienstiftung stellte eine Reihe von Anforderungen bezüglich der Verwendung des Geldes. Auch wurde das Verhältnis der neuen Hochschule zur Religion und zum Judentum gemeinsam mit der Spenderfamilie definiert.

Eine weitere Schenkung erfolgte durch den in Frankfurt geborenen und 1865 erstmals und 1875 endgültig in die USA ausgewanderten Bankier Jakob Heinrich Schiff. Schiff verpflichtete sich auf der Rückkehr von einer Palästinareise 100.000 USD (ca. 400.000 Mark) für die Errichtung einer Hochschule beizutragen. Auch er verknüpfte seine Spende mit Auflagen, die jegliche religiöse und zionistische Ideologie in Verbindung mit dem Technikum ausschlossen. Die administrative Unabhängigkeit des Technion musste nach seinen Wünschen gewährleistet sein. Um dies zu gewährleisten wurde ein Kuratorium gebildet, das aus jüdischen Persönlichkeiten bestand. Es konnte zur Wahrung der Interessen der Großspender durch weitere Vertreter aus Europa und den USA ergänzt werden.

Um eine Universität zu errichten, die das Wachstum der jüdischen Bevölkerung sichern würde, war es notwendig, ein geeignetes Grundstück zu erwerben, das aktuellen und künftigen Anforderungen gerecht würde. Nach intensiver Suche entschied sich Dr. Nathan für den Standort Haifa im Norden des damaligen Palästina. Die Stadt erfüllte bereits die besten Voraussetzungen, zur bedeutendsten Hafenstadt an der syrisch-palästinensischen Küste zu werden, da ihr auch die türkischen Behörden den Vorzug gegenüber Beirut gaben. Haifa würde sich als zukünftiger Knotenpunkt des Eisenbahnbaus entwickeln. Die geplante Hedschasbahn würde über Aleppo mit der Bagdad-Bahn verbunden werden. Die Errichtung des Technikums sollte die Entwicklung der Stadt Haifa, die sich erst am äußersten Anfang einer günstigen Entwicklung befand, zusätzlich positiv beeinflussen. Jerusalem schied als Standort für eine technische Lehranstalt aus, da erwartet wurde, dass eine technische Hochschule ein industrielles Zentrum, sowie Fabriken, Bahn- und Kaianlagen nach sich ziehen würde. Die Initiatoren hielten es auch für erforderlich, dass die künftigen Studenten studienbegleitende praktische Erfahrungen im nahen Umkreis der Hochschule machen sollten. Man hoffte durch die Wahl des Standorts sowohl politische Turbulenzen wie auch religiöse Einflüsse von der Hochschule fernzuhalten.

Der vom Kuratorium an die ottomanische Regierung gestellte Antrag auf eine Schulerlaubnis betonte, dass Studenten ohne Rücksicht auf Rasse oder Religion aufgenommen würden. Nach der Zustimmung der Regierung in Konstantinopels erfolgte am 11. April 1912 die Grundsteinlegung auf der halben Höhe des Karmel-Gebirges.

Grundsteinlegung am 11. April 1912 auf der halben Höhe des Karmel-Berges
Durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs und den Rückgang der finanziellen Unterstützungen geriet die „Gesellschaft Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina“ in Geldnot. Die Komplettierung und Inbetriebnahme des fast fertiggestellten Gebäudes war ungewiss; Deutsche Gerichte erklärten die Technikum-Vereinigung schließlich für bankrott, am 15.März 1915 wurde das Gebäude in Deutschland versteigert. Der Hilfsverein erwarb diese zurück und mit ihr die alleinigen Eigentumsrechte am Technikum, gleichzeitig entledigte sie sich auf diese Weise der angelaufenen Schulden des Projekts. Dies geschah unter Protesten russisch- und amerikanisch-jüdischer Förderer, sowie des Jüdischen Nationalfonds, die ihre großen Investitionen in das Technikum nicht mehr mit eigenen Mitspracherechten ausgestattet sahen.

Im Jahre 1916 besetzten deutsche Truppen das Gebäude und benutzten es für Sanitätszwecke und als Schlachthaus. 1917 übernahm die türkische Armee das Gebäude und verwendete es als Lazarett. Nach dem Ende des Widerstands der türkischen Armee benutzten die Briten das Gebäude als Militärbasis und Hospital. Von Anwohnern und verschiedenen Armeen war die Einrichtung das Technion mitgenommen und deren privater Nutzung zugeführt worden. 1920 erwarben Unterstützer des Zionistischen Hilfsfondses die Eigentumsrechte vom Hilfsverein und begannen das vernachlässigte Gebäude in die erste Universität des künftigen Staates Israel umzuwandeln. Unter ihnen befand sich erneut Jacob Schiff, der wiederum USD 100.000 dazugab.

Das fertiggestellte Technion-Gebäude zu Beginn der 1920er Jahre

Erste Technion-Gesellschaft (1923-1933)

Vier Jahre verstrichen, bevor das Technion wieder eingerichtet und für die Lehre einsatzbereit war. Es standen nur sehr begrenzte Geldmittel für die notwendigsten Renovierungsarbeiten zur Verfügung, um dem schlechten Gebäudezustand zu Beginn der 1920er Jahre abzuhelfen. Neben den Jahren der Verwahrlosung während des ersten Weltkrieges, war nicht nur die Einrichtung sondern auch die Laborutensilien geplündert worden: Während der Britischen Mandatszeit sollen die Damen der Gesellschaft die gläsernen Chemiekolben zum Einlegen ihrer Pickels benutzt haben.

1923 besuchte Albert Einstein das leere Technion-Gebäude auf seinem Rückweg von einer Vorlesungsreise in Japan. Sein Schiff ankerte in Haifa, er ließ sich vom Architekten Alexander Baerwald das Gebäude zeigen und unterstützte als Physiker den Plan, zeitnah ein Institut für Technologie und Wissenschaft in Haifa zu eröffnen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er Präsident der ersten Technion-Gesellschaft weltweit. Baerwald und Einstein kannten sich aus Berlin, wo sie gemeinsam im Quartett Kammermusik gespielt hatten; Einstein die Violine, Baerwald das Cello. Einsteins Engagement bestand in erster Linie in der Einrichtung einer neuen „Gesellschaft für ein technisches Institut in Haifa“, die in seiner Wohnung in Berlin-Schöneberg, Haberlandstraße 5, am 17.04.1924 notariell gegründet wurde. Diese erste Deutsche Technion-Gesellschaft warb um Spenden für das Technion und um Zollerleichterungen oder Zollfreiheit für die Verschiffung von Einrichtungsgegenständen. Durch die Weltwährungskrise war die Spendenbereitschaft deutlich zurückgegangen. Somit setzten sich die Spenden insbesondere aus praktischen Dingen, wie z.B. technischen Instrumenten und Möbeln zusammen, um das ehemals eingerichtete Gebäude wieder vollkommen nutzbar zu machen.

Die Zionistische Weltorganisation stellte zusätzlich ein kleines Budget zur Verfügung und im Dezember 1924 schrieben sich die ersten Studenten in den Fächern Architektur und Bauingenieurwesen am Technion ein. Unter ihnen waren von Beginn an weibliche Ingenieurstudenten.

Albert Einstein stand dieser ersten Deutschen Technion-Gesellschaft bis 1933 vor. In diese Zeit fielen die Eröffnung des Technion, erste erfolgreiche Jahre der Lehre, aber auch wiederholte finanzielle Engpässe. 1933 wurde die Gesellschaft verboten, wie alle Vereine und Institutionen, die den Machthabern des Nationalsozialismus entgegenstanden.

Die Hochschule in Haifa hatte in den ersten Jahren unter großer Finanznot gelitten, zum 30.09.1931 waren den Mitarbeitern ihre Verträge gekündigt worden. Sie arbeiteten fortan zum Wohle der Studenten und zum Überleben des Instituts ohne Bezahlung weiter. Der Zuzug vieler hervorragend ausgebildeter Ingenieure und Techniker aus Deutschland brachte für die Hochschule schließlich eine finanzielle Wende, es wurden wieder große Spenden geleistet und auf die zwischenzeitlich eingeführten hohen Studiengebühren konnte verzichtet werden.

Zwischenzeiten (1933-1981)

Ab dem Jahr 1933 suchten jüdische Professoren aus Mitteleuropa vermehrt Zuflucht und eine Anstellung am Technion. Die damals noch wenigen Fachbereiche konnten nur einen kleinen Teil der Wissenschaftler aufnehmen. Durch die angesehenen europäischen Professoren wurde das Technion bereits zu diesem Zeitpunkt eine ausgewiesene wissenschaftliche Hochschule, auch wenn ihr dieser Name erst mit Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 offiziell zuerkannt wurde.

Vorschläge zur Übernahme jüdischer Professoren aus Europa 1933

Schon 1949 gründete der aus England stammende Prof. Sidney Goldstein die Fakultät für Luftfahrttechnik und baute sie gegen alle Widerstände aus. Sie ließ mit den am Technion ausgebildeten Ingenieuren die Flugzeugindustrie in Israel aufblühen. Prof. Goldstein bündelte akademische Regulierungen an der Hochschule zu formalen Leitprinzipien westlicher Standards, sie bildeten die Grundlage für die akademische Entwicklung der Universität.

Zu Beginn der 1950er Jahre wählt Ministerpräsident David Ben-Gurion eine 1,2 km2 große Fläche für den neuen Campus des Technion aus, damit sich die Hochschule den Bedürfnissen der stetig steigenden Studentenzahlen anpassen kann. Grundsteine für die neuen Gebäude werden 1953 auf dem Sattel des Karmel-Berges gelegt und die Zahl der Fakultätsmitglieder steigt auf 206. In der 10-jährigen Amtszeit des Präsidenten Gen. Dori werden eine wissenschaftliche Fakultät, eine Graduiertenschule, der in eine Stiftung umgewandelte Bereich „Forschung und Entwicklung“ und zahlreiche neue Ingenieurprogramme etabliert. Zuvor als Kurse gelehrte Fächer wie Mathematik, Chemie, Physik, Mechanik und Landwirtschaftstechnik wuchsen bald zu eigenen Fachbereichen heran und die 1954 gegründete Amerikanische Technion-Gesellschaft rang dem Ministerpräsidenten Ben-Gurion das Versprechen ab, für jeden gespendeten Dollar zum Aufbau des neuen Campus ergänzend einen Dollar vom israelischen Staat zu erhalten. In dieses Unterfangen wurden auch bald die anderen Technion-Gesellschaften weltweit eingebunden.

In den 1960er Jahren öffnete das Technion seine Tore für hunderte afrikanischer und asiatischer Studenten aus Entwicklungsländern und bot Programme in englischer Sprache an, die mithilfe des Außenministeriums und von UNO-Behörden in den jeweiligen Ländern zu einer besseren Wirtschaft führten. Währenddessen wuchs die Studentenzahl, die 1924 mit 16 Neueinschreibungen begonnen hatte 1959 auf 1.973 und 1973 auf 5.756 an.

Mit der medizinischen Fakultät, die im Jahr 1969 eröffnet wurde, waren große Erwartungen an eine fruchtbare Zusammenarbeit der Ingenieurwissenschaftlichen Fachbereiche und der Medizin verbunden. Diese bewahrheiteten sich Jahrzehnte später in einer Blüte der Medizintechnik und den 2020er Jahren in der Kombination der Künstlichen Intelligenz mit den Lebens- und Naturwissenschaften.

An eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit Deutschland war lange nicht zu denken: Dem Kuratorium des Technion, dem „Board of Governors“, stand von 1956 an der ehemalige Richter Mosche Landau, ein erklärter Gegner Deutschlands und Hauptankläger im Eichmannprozess vor. Unter seinem Vorsitz konnte das Technion als einstmals „deutsche Hochschule“ keine offiziellen Beziehungen mit Deutschland und deutschen Universitäten aufnehmen. An eine Wiedergründung einer Freundesgesellschaft war von israelischer Seite aus nicht zu denken. Da dem Präsidenten der Hochschule die Hände gebunden waren, begann der damalige Vizepräsident für Forschung des Technion, Prof. Dr. Joseph Hagin, in den 1970er Jahren erste Kontakte mit Deutschland zu knüpfen. Er ebnete im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Bonn gemeinsam mit dem Ministerialdirektor von Hase und dem Leiter des Fachbereichs Physik der Universität Göttingen, Prof. Dr. Peter Haasen, den Weg für eine akademische Zusammenarbeit.

Wiedergründung der Deutschen Technion-Gesellschaft (1982-heute)

Die Deutsche Technion-Gesellschaft erlebte erst im Jahre 1982 durch den damaligen niedersächsischen Wissenschaftsminister Prof. Dr.-Ing. Eduard Pestel ihre Wiedergründung. Prof. Pestel, ursprünglich Professor für Mechanik an der damaligen TU Hannover, besuchte das Technion im Jahr 1981 und war von der Idee der langfristigen Kooperation so begeistert, dass er seinen für die Hochschulen zuständigen Ministerialdirigenten Dr. Christian Hodler bat, die 1933 verbotene Gesellschaft wiederzugründen. Dr. Hodler hatte bereits 1977 ein Programm für wissenschaftliche Kooperationen zwischen Niedersachsen und Israel vorbereitet, dass es niedersächsischen Hochschulen mithilfe von beim Kultusministerium (MWK) verwalteten Mitteln des „Niedersächsischen Vorab“ der Volkswagenstiftung ermöglichte, Projekte mit der Hebräischen Universität in Jerusalem durchzuführen. Das Programm wurde auf das Technion erweitert und die frisch gegründete Gesellschaft mit der Administration für die israelische Seite betraut. Der Gründungsversammlung der Deutschen Technion-Gesellschaft e.V. am 30. März 1982 gehörten Ministerpräsidenten, Hochschulleiter, Vertreter aus der Wirtschaft und Politiker an.

In ihrer Satzung beschreibt die Deutsche Technion-Gesellschaft e.V. (DTG) ihrer Aufgaben mit der Unterstützung des Technion, der Förderung von Lehre und Forschung. Hierzu gehören die wissenschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie die direkte und indirekte finanzielle Unterstützung. Studentenaustauschprogramme, die nicht von staatlicher Seite angeboten oder gefördert werden, jedoch für Lehre und Forschung in beiden Ländern hilfreich sind, wurden von der DTG im Laufe der Jahre entwickelt, durchgeführt und immer wieder evaluiert.

Bereits kurz nach ihrer Wiedergründung rief die DTG das Umbrella-Symposium ins Leben. Es verbindet seit 1983 drei exzellente Wissenschaftsinstitutionen: die RWTH Aachen, das Forschungszentrum Jülich und das Technion in Haifa. Der damalige NRW-Ministerpräsident Rau war einer der engagiertesten Förderer dieser Kooperation. Jährlich werden Symposien zu wechselnden Themen an einem der drei Hochschulstandorte durchgeführt, seit 2004 werden wissenschaftliche Kooperationsanträge mit einem Startbudget gefördert. Das 25. Umbrella-Symposium diente 2011 in Aachen als Hauptveranstaltung des ersten „Deutsch-Israelischen Forums zur Forschungskooperation“ (DIFF).

Ein Umbrella-Symposium (Jülich)

1987 richtet die DTG einen Studenten-Fonds ein, der deutschen Studenten am Technion und Technion-Studenten in Deutschland finanziell hilft, ein Gaststudium von ein oder zwei Semestern aufzunehmen.

Mit der Einrichtung des „Wissenschaftspreis der Deutschen Technion-Gesellschaft“ im Jahr 2002 zeichnet die DTG Wissenschaftler aus Deutschland und Israel aus, die nicht nur herausragende wissenschaftliche Leistungen vorweisen, sondern auf intensive Kooperationen mit Kollegen des jeweils anderen Landes zurückblicken. Die alle zwei Jahre vergebenen Wissenschaftspreise wurden bis 2013 von Reinhard Frank und der Eduard Rhein-Stiftung gefördert, seither obliegt der DTG die Ausrichtung selbst.

Mit der Eröffnung der Geschäftsstelle in Berlin im April 2003 wird das Technion in der Bundesrepublik noch sichtbarer und eine Reihe von Förderprogrammen, Ausstellungen und Vortragsreihen werden aufgebaut: So beginnt 2006 die ersten Studenten des Life Science-Austauschs ihre Forschungspraktika in Haifa und Hannover. Master- und PhD-Studenten der Leibniz Universität und der Medizinischen Hochschule Hannover aus dem Bereich der Biowissenschaften forschen für 4-6 Wochen im Labor des Technion, gleichzeitig machen Studenten aus Haifa ihre Erfahrungen für die wissenschaftlichen Karriere in Deutschland. Dieses Programm wird über die Jahre mithilfe der Reinhard Frank-Stiftung, privater Spender und durch Industrieförderung mehrere hundert Jungwissenschaftler unterstützen. 2021 übernimmt das Land Niedersachsen das Programm für alle niedersächsischen, alle israelischen, sowie die Universitäten im Westjordanland unter dem Namen ILSSE. Diese Förderung ist fachbereichsunabhängig und zunächst für 4-6 wöchige Forschungspraktika beschränkt.

Seit 2009 bietet die DTG Delegationsreisen zu verschiedenen Themen der Wissenschaft und Technologie an, wie auch zur israelischen Startup-Szene und der Hightech-Industrie. Die Reisen werden von der DTG geplant und begleitet, sie umfassen alle relevante Fachbereiche des Technion, Firmen von Technion-Alumni und von Technion-Absolventen geleitete Abteilungen der israelischen Hightech-Industrie. Individuelle Beratung für Delegationsreisen erteilt die DTG seit ihrer Wiedergründung an die Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.

Eine Delegation von deutschen Maschinenbauingenieuren besucht Stef Wertheimer

Um die wissenschaftliche Zusammenarbeit von Nachwuchswissenschaftlern aus Niedersachsen und Israel zu intensivieren finden seit 2013 in jedem zweiten Frühjahr die „Niedersächsisch-israelische wissenschaftliche Konferenzen“ in Hannover statt. Hier stellen Vertreter beider Länder ihre durch das niedersächsische MWK geförderten aktuellen Kooperationsprojekte vor. Die Ergebnisse der Arbeiten werden fachlich breit diskutiert und junge Wissenschaftler erhalten die Möglichkeit ihre Arbeiten bei Poster-Ausstellungen zu präsentieren und Kooperationspartner zu gewinnen. Das Programm wird vom Land Niedersachsen, dem Freundeskreis der LUH und verschiedenen Industrievertretern gefördert.

Darüber hinaus bietet die DTG Konferenz-Stipendien und Kickoff-Kooperationsstipendien an. Für die Nachwuchswissenschaftler wird die Sektion „YoungDTG“ eingerichtet, damit sich ehemalige und aktuelle Stipendiaten untereinander auf einer eigenen Plattform austauschen können.

Um die wissenschaftliche Kooperation in hochaktuellen Themen zu intensivieren, fördert die DTG mithilfe der Reinhard Frank-Stiftung 2014-2016 jährlich ein „Green Photonics Symposium“. Ziel der wechselweise in Haifa und Berlin durchgeführten Symposien ist Zusammenführung von Jungwissenschaftlern und deren gemeinsame Bearbeitung hochaktueller strategischer Themen. Ab 2017 ändert sich die Ausrichtung hin zur Quantenphysik. Die Symposien finden in Würzburg, Haifa und München statt.

Eine enge Zusammenarbeit des Hasso Plattner Instituts (HPI) mit dem Technion in den Fachgebieten Computerwissenschaften und Elektrotechnik besteht seit 2009. Zehn Jahre später übernimmt die DTG ein Teil von deren administrativer Betreuung, das HPI fördert weiterhin jährlich bis zu 15 Doktoranden aus Haifa in der gemeinsam ins Leben gerufenen „Research School“ HPRC-Technion.

Das Technion hat in den vergangenen Dekaden seine Forschung im eigenen Land ausgebaut und intensiviert, Dependancen in den USA und in China eröffnet und ist 2004 und 2011 mit drei Nobelpreisen für Technion-Professoren belohnt worden. Bei anderen Nobelpreisträgern war die Hochschule an deren Ausbildung oder Forschungskooperationen beteiligt. Die Universität ging unter der 10-jährigen Leitung von Präsident Prof. Peretz Lavie zahlreiche internationale Verbindungen ein, sowohl mit wissenschaftlichen Forschungsinstituten, wie auch in der Industrieforschung.

Seit 2019 befindet sich das Technion unter Leitung von Präsident Prof. Uri Sivan in der Transformation von einer klassischen Universität zu einer alle Bereiche umfassenden interdisziplinären Forschungseinrichtung. Nach der erfolgreichen Verbindung der Ingenieurwissenschaften mit den Naturwissenschaften und der Medizin in den 1970er und 1980er Jahren und deren bis heute nachwirkenden medizintechnischen Erfindungen stehen nur die Verbindungen fast aller Fachgebiete mit den Computerwissenschaften im Fokus. Hierbei sind die Cybersecurity und die Künstliche Intelligenz die beiden wichtigsten Bereiche. Mit dem Wunsch das eigene Land aufzubauen, aber auch weltweit nutzbare und hilfreiche Forschung zu entwickeln, wurde das Technion 1924 eröffnet. Auch nach 100 Jahren hat sich daran nichts geändert, die Zusammensetzung der Studenten in Haifa ist noch internationaler geworden und die Anpassung auf immer neue wichtige Themen verspricht eine spannende Zukunft.