1966, was war da los? Im Folgejahr nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland besuchte der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer im Mai Israel. Er wurde als „Kanzler der Wiedergutmachung“ von Levi Eschkol, dem damaligen Premierminister, empfangen, der ihm bei einem Gastmahl sagte, „dass die Deutschen von heute ihre gewandelte Gesinnung und ihre neue Vertrauenswürdigkeit täglich zu beweisen hätten. Das jüdische Volk wartet auf weitere Zeichen und Beweise dafür, dass das deutsche Volk die schreckliche Last der Vergangenheit erkennt und sich einen neuen Weg in der Völkerfamilie sucht.“
So war die Stimmung damals und in diesem Jahr entschied ich mich, für 3 Monate nach Israel zu gehen.
Voller Scham und Schuldgefühl, viel zu wenig wissend über das Judentum, den Zionismus, vollgepfropft mit antisemitischen Äußerungen, die mich in meiner Jugend begleitet haben, das Entsetzliche des Holocaust nicht richtig begreifend, aber mit einer Bewunderung für die Pionierleistung des jungen Staates, der in seiner Existenz bedroht war und dem viele Publizisten in Europa keine große Zukunft gaben. Ich wollte das Land selber kennen lernen und das umso mehr, als mein Vater mir mit auf den Weg gab. „Was willst du bei den Juden?“
Israel steckte in der Ungewissheit des Überlebens, denn die feindlichen Nachbarn Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon, ja sogar der etwas weiter entfernte Irak rüsteten massiv auf und bereiteten sich auf das Auslöschen Israels vor. Die Zukunftsangst erdrückte das Leben. Die wirtschaftliche Lage war sehr schlecht, es gab mehr Auswanderung statt Einwanderung.
Deutschland war in den Augen Israels noch Naziland und ein überwiegender Teil der jüdischen Bevölkerung war nicht bereit, das Mördervolk mit diplomatischen Beziehungen aufzuwerten. Einzig die militärische Unterstützung durch Waffen aus Deutschland wurde akzeptiert, denn damit konnte die Selbstverteidigung gestärkt werden, um den jungen Staat zu erhalten.
Inmitten dieser inneren Existenzkrise gab es jedoch Politiker, die die Bereitschaft zeigten, einen neuen Anfang mit Deutschen zu wagen und auch andere Gruppen wie z.B. Kibbuzim, Hochschulen, Industrie und Handel öffneten sich. Sie hatten einen gewissen Optimismus und mit dem Glauben an eine neue Generation in Deutschland gab man der Jugend die Chance, ein anderes Verhältnis miteinander aufzubauen. Und formal waren ja durch den gegenseitigen Botschafteraustausch 1965 die Türen auch weit geöffnet.
1966, also ein Jahr danach und mitten in der Zukunftsangstphase des Staates, habe ich als gerade noch 25-jähriger Student Israel kennen gelernt, zuerst als Freiwilliger in einem Kibbuz und dann als Praktikant an der Technischen Hochschule (Technion) in Haifa.
Ich studierte Maschinenbau an der Technischen Hochschule Hannover. Vorher hatte ich eine Maschinenschlosserlehre absolviert und nach sechs Semestern an der Staatlichen Ingenieurschule Essen das Ingenieurexamen abgelegt. Wegen eines guten Abschlusses und nach Bestehen der Hochschulreifeprüfung begann ich mein zweites Studium in Hannover.
Da ich unbedingt Israel kennenlernen wollte, war für mich klar, nicht nur das Kibbuzleben zu erfahren, sondern auch die andere Seite: das „normale“ Leben. Ich erfuhr von der Möglichkeit, über den Verein IAESTE 1) („International Association for the Exchange of Students for Technical Experience“) Hochschulpraktika zu machen und bewarb mich für Israel. Das Technion hatte für mich nur den Ruf, schon in vorstaatlicher Zeit gegründet worden zu sein und dass Albert Einstein dort die Gründung begleitet hat. Internet gab es nicht, es gab nur die Bewerbungspapiere vom DAAD. Zum Glück wurde ich angenommen, mir war egal an welcher Fakultät, Hauptsache war, dass ich einen Termin hatte und im Zusammenhang mit diesem Termin konnte ich mir einen Kibbuzplatz besorgen. Mein Wunsch war dazu die Nähe Haifas.
Ich kam furchtsam in das Land, fragte mich wie die Menschen mir begegnen würden, die die Schrecken der Vergangenheit direkt oder indirekt getroffen hatten und ich war sicherlich nicht so gut vorbereitet, wie ich es hätte sein sollen. Wie auch? Es gab damals nicht so viel zu lesen und sehen zu Israel, außer dass seine Bewohner ungeheuer rege dieses Land unter Entbehrungen und mit vielen Kämpfen aufgebaut hatten und dass die Familien schreckliche Verluste im Holocaust verarbeiten mussten. Mein Wissen war geprägt durch wahrgenommenen Antisemitismus, der sich nicht offen, aber doch in Bemerkungen permanent zeigte, wie z.B. zur Wiedergutmachungsvereinbarung, die erhebliche provokante Bemerkungen zur Geldgier der Juden auslöste. Es gab bei uns andererseits aber auch eine naive Bewunderung der Kibbuzpioniere und wir dachten, das und nur das sei Israel. Sozialismus in Reinform, ideal gelebt und erfolgreich, also ein Zukunftsmodell für die Menschheit.
Ich war neugierig genug, um mich auf den Weg zu machen und bin während eines Wochenendseminars zur Vorbereitung des Aufenthaltes mit Schalom Ben Chorin, dem großen Versteher, Erklärer und Zukunftsgläubigen, auf den richtigen Pfad gelenkt worden.
So saß ich im Hochsommer 1966 dann auf dem Lastwagen des Kibbuz, der die kleine Gruppe Freiwilliger (in Israel sind das „Volontäre“) am Flughafen Lod (ja, so hieß er noch, nicht Ben Gurion Airport) abholte und in ungewohnter Sommerhitze in einer Betonhütte im „Camp“ ablud. Einweisung in den Tagesablauf und Arbeitszuteilung ging schnell, noch schneller das Kennenlernen der anderen Volontäre aus vielen Ländern. Wir ca. 10 Studenten waren die einzigen Deutschen. Die anderen hatten schon einige Wochen Erfahrung und halfen schnell, waren aber doch mehr als wir am „dolce Vita“ des Kibbuz interessiert. „Wie bekommt man mehr Bier als zugeteilt, wie umgehen wir die Nachtruhe am Pool und was machen wir am Shabbat, wenn die Arbeit ruht?“ waren die vordringlichen Fragen der Nichtdeutschen, die mehrheitlich Juden waren. Der Umgang war entspannt, man fuhr gemeinsam auf die Felder, pflückte Obst oder Baumwolle, saß fröhlich im Hadar Ochel (Speisesaal) zusammen und freute sich auf den Abend am Pool.
Was hatte ich für ein Glück, nicht in diese Feriengemeinschaft mit einbezogen zu werden, denn ich ließ durchblicken, dass ich vor dem Studium eine Lehre als Maschinenschlosser gemacht hatte und so wurde ich in die „Masgeria“, die Schlosserei des Kibbuz aufgenommen. Nun war ich mit denen zusammen, mit denen ich auch zusammen sein wollte und die mich dann für mein Leben geprägt haben. Diese Dichte der Zusammenarbeit, der permanenten Gespräche, der Aufnahme in die Familien und die Enge mit Menschen, die es so gut mit mir Naivem meinten, war einmalig und ist und bleibt unersetzlich. Der Chef der Werkstatt hat mich besonders geprägt, er war ja auch etwas Besonderes und hatte doch wie viele andere auch, eine „ganz normale Flucht- und Einwanderungsgeschichte“. Sie war so fremd und neu für mich, ich konnte nur noch zuhören. Das waren die Geschichten über das Berlin der Kindheit und Jugend, die Hachschara-Ausbildung, die dramatische Flucht und noch dramati¬schere Ankunft in Palästina, die Internierung im Lager Ashdod, die eigenartig förmlichen englischen Soldaten, die erste Waffe in der Verteidigungsgruppe im Kibbuz, die Kämpfe mit den arabischen Feinden, die Staatsgründung, das Elend im Kibbuz zu Beginn, der Aufbau, die Rückschläge und Erfolge und es gab die Trauer über den Verlust der Eltern und Geschwister, der mir nie zum Vorwurf gemacht wurde und der nie im Vordergrund stand, aber doch dauernd wie ein roter, abgerissener Faden vorsichtig Erwähnung fand. Wie konnte man nur so nett zu mir sein?
Israel war leer zu der Zeit (nur 1,5 Mio. Einwohner, heute 10), wenig Autos auf noch schlechten Straßen, viel Platz zwischen den Orten und die im Sommer trockene Natur war trotzdem überwältigend. An den Wochenenden ging es raus, Haifa, Akko, Rosh Hanikra, Nazareth, See Genezareth, Baden in Sakhne wurde vom Kibbuz organisiert. Es war einfach nur schön, wenn auch heiß, aber in das Land konnte man sich verlieben. Und unglaublich groß war die Bereitschaft nahezu jedes Autofahrers, mich mitzunehmen, ohne dass die Hand ausgestreckt werden musste, wenn man nur am Straßenrand entlang lief.
Das Kibbuzleben war so autonom, dass wir zum anderen Israel überhaupt keinen intensiven Kontakt bekamen, schon gar nicht zu Arabern. Eingeprägt bei mir hat sich jedoch, wie die aussortierten männlichen Küken aus der Brutanlage des Eierlegegefängnis, in dem ich u.a. die Aufgabe hatte, die Tröpfchenbewässerung in Funktion zu halten, vom Anhänger, auf den sie zur Entsorgung lagen, in die abseits des Örtchens gelegene Müllgrube geschüttet wurden. Schwarz verhüllte arabische Frauen warteten nur auf diesen Augenblick und begannen, die lebenden gelben Knäuel in Körbe einzu¬sammeln. Auf meine Fragen hin wurde mir gesagt, dass die Frauen aus dem 2-3 km entfernten arabischen Dörfchen kamen und sie diese Küken wohl aufziehen würden, um sie als Junghähnchen zu essen. Warum man diese ihnen nicht gleich nach dem Aussortieren direkt gab, wurde unwillig damit beantwortet, dass diese Nachbarn nicht gerade die Nettesten waren, denn sie hätten sich jahrelang noch bis zum Unabhängigkeitskrieg an Angriffen gegen den Kibbuz beteiligt. Sie seien bis heute nicht loyal zum Staat, und da ständig Attentate in Israel stattfanden, nannte man sie oft die fünfte Kolonne der Feinde.
Relativ wenig bemerkten wir die schon dauernden Attentate und Scharmützel, nur die MIG-Tiefflüge über den See Genezerath waren auffällig und wurden böse von den Einheimischen kommentiert, jedoch war ich das gewöhnt durch die tiefen Übungsflüge und das Durchbrechen der Schallmauern der deutschen Starfighter zu Hause. Ich ahnte nicht, dass diese militärischen Konfrontationen ein Vorspiel für den im nächsten Jahr stattfindenden 6-Tage-Krieg waren.
Nach einigen Wochen Kibbuz-Arbeit hatte ich genügend Zeit, Israel per Anhalter zu bereisen, bevor mein Austauschpraktikum am Technion in Haifa begann. Jerusalem als geteilte Stadt war einerseits deprimierend, andererseits aber auch Mut machend. Deprimierend fand ich den Blick über das zerballerte Niemandsland vor der Altstadt und den gefährlichen Weg auf den Zionsberg, wo israelische Soldaten hinter Sandsackbarrieren in den oberen Fenstern der Dormitio-Abtei in Wurfweite den jordanischen Soldaten gegenüber standen. Jerusalems Armut, insbesondere nahe der jordanischen Grenze in der geteilten Stadt im orthodoxen Viertel Mea Shearim, war bedrückend, ich fand es dort hoffnungslos.
Jedoch erfuhr ich viel Hoffnung im Studentenwohnheim der neuen Universität, in der ich als Gast wohnen durfte. Hier herrschte eine fast amerikanisch anmutende, sehr offene Atmosphäre, die wegen des lockeren Umgangs zwischen Studenten und Lehrkörper auch wieder ganz anders als die meiner Technischen Hochschule zu Hause war.
Tief beeindruckt war ich vom Toten Meer, dessen Wasserspiegel bis an die Straße reichte und wo ich bei Besuchen heutzutage voller Schrecken den Pegel mehr als 40-50 m tiefer sehen muss. Oh, Israel und Jordanien, was habt ihr nur gemacht, dass dieses Weltphänomen so zerstört wird? Ist es das wert, die Mineralien so brutal auszubeuten? Direkt an der jordanischen Grenze grünte der Kibbuz En Gedi und das daneben liegende Naturparadies mit dem kühlen Quellwasser, das kaskadenförmig aus Felshöhen in Wasserfällen über „Badebecken“ herabstürzt, bot in wunderbarer Einsamkeit die Möglichkeit, den Salzschleim des Seewassers abzuspülen. Wer das so erlebt hat, wendet sich heute abgeschreckt von den lärmenden und dreckmachenden Touristenmassen ab und möchte am liebsten losschreien: „Haut alle ab, ihr macht das Paradies kaputt!“.
Massada war noch nicht erschlossen, Jigael Yadin erforschte mit größeren Gruppen von Archäologiestudenten das Terrain und für Besucher gab es keine bequeme Fahrt mit der Seilbahn auf das Plateau. Nur über den noch sehr gerölligen und unbefestigten Schlangenpfad konnte die Höhe erkraxelt werden. Das jedoch im frühestem Morgenlicht zu tun, wenn die Sonne über die jordanischen Bergkämme klettert, ist unvergesslich schön.
Nach rumpeliger Busdurchfahrt der Negev erschien mir das glasklare Wasser des Roten Meeres mit seinen Korallenbänken wie die Südsee. In Eilat gab es Hütten, armselige Behausungen, einfache Wohnblocks für die wenigen Einheimischen, keine Hotels und keinen Rummel, aber Hippies am Strand, bei denen ich schlief und den ersten Joint kennen lernte. Oh, was gab es in Israel noch für jungfräuliche Orte! Ich mag gar nicht daran denken, wie mich die dichte touristische Bebauung und der entsetzliche Discolärm am überfüllten Strand Jahrzehnte danach geschockt haben.
Auf dem Weg zurück nach Haifa machte ich Station in Tel Aviv und war vorurteilsgeprägt von den Kibbuzniks, die mir gesagt hatten, dass dieser Ort einen Besuch nicht wert wäre. Und so empfand ich die Stadt auch, ihre Reize von heute strahlte sie nicht aus – nur der Strand war beeindruckend.
Also schnell weg ins schöne Haifa, wo ich in einen Nebengebäude in dem wunderschön orientalisch gebauten alten Technion in Hadar HaCarmel mein Praktikum antrat, das dort sechs Wochen dauern sollte. Ich liebte dieses Gebäude und die Lage mitten im alten Zentrum Haifas, dem Hadar haKarmel, was „Pracht des Karmel“ heißt. Gewohnt habe ich weiter oben auf dem Karmel in einem Studen¬tenwohnheim des neuen Campus in Neve Shana’an und sah dort neue Gebäude entstehen, die das alte Technion unten in Hadar aufnehmen sollten. Ich hatte ein Doppelzimmer zusammen mit einem nigerianischen Studenten, der eine umfangreiche Studienarbeit in den Semesterferien bearbeitete und keine Zeit für mich hatte.
Von dem heutigen riesigen Campus mit seinen High-Tech-Forschungs- und Lehrstätten war noch nicht viel zu entdecken. Unten in Hadar war alles einfach, low tech würde man heute sagen. Aber mein Labor war ja nicht für die Forschung gedacht, sondern für die Studenten, die an Versuchen die Geheimnisse der zerspanenden Maschinen mit ihren Werkzeugen kennenlernen sollten. Meine Aufgabe war es, die Versuche vorzubereiten, die für die Studenten des Wintersemesters vorgesehen waren. Das Labor gehörte zum Institut für Werkzeugmaschinen von Prof. Lenz. Ihn sah ich selten, aber wunderbar empfand ich die Zusammenarbeit mit dem Institutspersonal. Der Mischmasch an Sprachen, die bei der Arbeit verwendet wurden, begeisterte mich. Hebräisch, von dem ich nur wenige wichtige Worte und Redewendungen gelernt hatte, Deutsch, das für viele technische Einrichtungen gebraucht wurde, Jiddisch wegen der Mitarbeiter im Labor, die sich so unterhielten und Englisch als Protokollsprache für die Versuche machten die Arbeit sehr lebendig. Meine sechs Wochen vergingen schnell. Mir wurde neben dem Schabbat auch noch der Sonntag freigegeben, was ich als äußerst großzügig empfand, aber ich genoss es. So hatte ich Zeit, immer wieder am Freitag in „meinen“ Kibbuz Kfar Ha Maccabi zu fahren. In ca. einer knappen Stunde war ich mit Bus und zu Fuß dort und wurde aufgenommen wie in eine Familie, arbeitet auch den Sonntag in der Schlosserei mit und durfte dafür im Camp wohnen und im Speisesaal essen.
Montags früh fuhr ich mit dem Bus in die Unterstadt von Haifa und ging dann meistens zu Fuß die Treppen hoch, die Haifa senkrecht erschlossen. Wenn die Zeit knapp wurde, nahm ich die Carmelit, eine schräg in den Berg gebaute Untergrund-U-Bahn. Von der Hadar-Station waren es dann nur wenige Gehminuten ins Labor, wo ich um etwa 8 Uhr sein musste. Im Studentenwohnheim schlief ich dann immer nur 4 Nächte.
Die IAESTE veranlasste, dass mir ein „Lohn“ vom Technion bezahlt wurde, es waren nach meiner Erinnerung etwas mehr als 300 DM für die 6 Wochen. Das war gut, denn ich war mit sehr wenig Geld nach Israel gekommen, der Kibbuz war ja kostenfrei. Das Leben in diesen 3 Monaten in Israel war für mich sehr billig. Ich hatte den Kibbuz, hatte die preiswerte Mensa des Technion und gereist bin ich in Israel fast nur per Anhalter. Das war besonders einfach. Man brauchte nur an einer Straße mit einem kleinen Rucksack entlang zu laufen und schon hielt ein Auto und die Fahren baten nur noch, einzusteigen. So kam man sehr geschwind von Ort zu Ort, führte interessante Gespräche und wenn ich gefragt wurde, was ich in Israel mache, antwortete ich mit den Stichworten Kibbuz und Technion, was jedes Mal auch ein Stück Hochachtung hervorrief. Das Technion hatte nun einmal einen besonderen Ruf. Es wurde übrigens immer als „Technikum“ bezeichnet.
Meine Zeit im Technion endete mit Beginn des Wintersemesters. Eine sehr billige Rückreise hatte ich vorher gebucht, erst mit El Al von Tel Aviv nach Nikosia in Zypern und dann mit einer Schweizer Chartergesellschaft nach Basel. Fünf DM hatte ich noch in der Tasche als ich per Anhalter in Saarbrücken ankam, wo mein Bruder wohnte. Er gab mir 50 DM und ich fuhr bequem am nächsten Tag zurück nach Hannover.
Schon 1978, also 12 Jahre später, konnte ich wieder am Technion sein. Ich habe auf einem Gasturbinen-Kongress, den das Technion gemeinsam mit der ASME veranstaltete, einige Ergebnisse meiner Doktorarbeit vorgetragen. Ich hatte an der Universität Hannover im Institut für Strömungs¬maschinen geforscht und dort promoviert.
In diesen 12 Jahren war dem Technion ein riesiger Sprung gelungen, alles war neu gebaut und hoch¬modern. Ich hatte das Gefühl, diese Hochschule wird uns in mancher Hinsicht noch überholen, denn bemerkenswert war die Zusammenarbeit mit den Spitzenuniversitäten in Amerika, deren Professoren (die auch für meine Arbeit eine wichtige Rolle gespielt hatten) auch auf diesem Kongress einen ungeheuer engen Zusammenhalt mit den jungen israelischen Wissenschaftlern demonstrierten. Heute wird das Technion zu den wenigen absoluten technischen Spitzenuniversitäten der Welt gezählt und das Ranking liegt meilenweit vor meiner alten Hochschule; alle Achtung!
Von den Kibbuzniks bin ich mit Freundschaft eingebunden worden in ihr Denken und Handeln, in ihre Motivation zum Staat zu stehen und nicht zu vergessen, haben sie mir meine Hemmungen genommen, als Deutscher in Israel zu sein, haben mich stark gemacht, nach Deutschland zurück zu kehren, um dann noch deutlicher, noch massiver gegen das Vergessen und Verdrängen anzugehen, das immer mehr um sich griff, um die Nazizeit vergessen zu machen. Und ich muss dazu sagen, dass mir der Aufenthalt im Technion durch mein intensives Zusammenleben im Kibbuz dann sehr leicht gefallen ist.
Als ich zurück nach Deutschland kam, hatte ich das Land in mein Herz eingeschlossen, habe die Menschen verstanden und mir vorgenommen, sie und ihre Zukunft zu verteidigen.
Dass ich das bis heute tun muss, hatte ich nicht geahnt.
1) Zur IAESTE:
Die IAESTE vermittelt auch heute noch Fachpraktika im Ausland für Studierende aller technischen und naturwissenschaftlichen Fachrichtungen.
Es gibt sowohl Plätze in der Industrie als auch an Forschungsinstituten. Die meisten IAESTE-Praktika dauern etwa 2–3 Monate und finden oft im Sommer statt. Die Praktika werden grundsätzlich bezahlt; der Lohn richtet sich dabei nach den landestypischen Lebenshaltungskosten auf studentischem Niveau. Das IAESTE Komitee im Ausland übernimmt die Wohnungssuche.
IAESTE Deutschland erledigt alle notwendigen Formalitäten. Die Vermittlung für in Deutschland eingeschriebene Studenten ist kostenlos. Ermöglicht wird dies durch die Eingliederung des IAESTE-Programms in den Deutschen Akademischen Austauschdienst e.V. (DAAD).